Meinung: gut bezahlte Inkompetenz im Rechtsamt

Die Liste der städtischen Niederlagen ist ellenlang. Abfall, Abwasser, Tourismusbeitrag, Darlehen, Mietschäden, Presserecht. Alle Fälle haben eines gemeinsam. Sie wurden anfangs bzw bis heute vom städtischen Rechtsamt betreut. Das kostet die Steuerzahler zwar Jahr für Jahr einen fetten sechstelligen Betrag. Aber trotzdem nehmen die Stadtjuristen immer häufiger zusätzlich externe Hilfe in Anspruch.

“Rechtsverhinderungsamt”

Zusammen fünfstellige Anwaltsrechnungen sind die Folge. Jährlich. Betroffene BürgerInnen sprechen offen vom “Rechtsverhinderungsamt”. Und die Anwaltschaft reibt sich intern die Hände: ein Mandat gegen die Stadt führt oft mit geringem Aufwand zum Erfolg. Die Stadt hat an Gerichts- und Anwaltskosten seit 2014 mehr Geld ausgegeben, als der ganze Fremdenverkehrsbeitrag für 2016 nach Kosten bis heute eingebracht hat.

Erfolglos und pannenreich

Wer sich die Fälle im Detail anschaut kann auch ohne die von der Stadt dieser Seite und der Öffentlichkeit verweigerten Informationen leicht nachvollziehen, warum die Verwaltung so erfolglos und pannenreich “arbeitet”. Zunächst einmal hält sich das Rechtsamt selbst ungern an Recht und Gesetz. Obwohl das vorschreibt, dass Widersprüche innerhalb von drei Monaten dem Stadtrechtsausschuß vorzulegen und von dem zu behandeln sind, tut man beim Stadtrechtsausschuß erstmal lieber nichts.

Keine Sitzung

So ist für den Januar 2019 nach Auskunft der Stadt keine einzige Stadtrechtsausschußsitzung terminiert. Obwohl Dutzende von Widersprüchen unterschiedlichen Inhalts verhandlungsbedürftig sind. Wenn es zu Stadtrechtsausschußsitzungen kommt, wie im Fall Valentino gegen Bad Kreuznach, wissen die StadtjuristInnen alles besser. Also sie glauben es besser zu wissen. Aber ihr Glaube ist erkennbar von minderer Qualität.

Besser-Wisser-Frauen

So platzte im Februar 2018 eine Stadtrechtsausschußsitzung, weil einer der Beisitzer im Rechtssinne befangen war. Das Rechtsamt wurde vorher schriftlich und mündlich auf diese Fußangel hingewiesen. Aber da frau im Rechtsamt alles besser weiß, hört frau natürlich nicht auf Warnhinweise Dritter (diese Seite berichtete am 23.2.18 unter der Überschrift “Sitzung platzt weil Verwaltung patzt”). Folgen: einige hundert Euro Stadtgeld zum Fenster heraus geworfen. Das Verfahren verzögert. Die Verwaltung im Ansehen der EinwohnerInnen herabgesetzt.

Erklärung für das Versagen

Vorsitzende des Stadtrechtsausschußes ist per Gesetz Oberbürgermeisterin Dr. Heike Kaster-Meurer. Sie ist Ärztin. Diese Qualifikation mag bei der ein oder anderen Sitzung sogar hilfreich sein. Die Kompetenz zur Leitung von Stadtrechtsausschußsitzungen hat sie an drei Mitfrauen übertragen. JuristInnen mit Abschlüssen. Der Sache hat das nicht genutzt. Sicherlich ist das Versagen im Rechtsamt nicht geschlechtsspezifisch zu erklären. Möglicherweise ideologisch.

Gleichberechtigung verwirklicht

So wie es die Kabarettistin Simone Solga beim Kleinkunstfestival 2018 erklärte: “Wahre Gleichberechtigung gibts erst, wenn Frauen genau so inkompetent sein dürfen wie die meisten Männer und trotzdem die selbe Kohle dafür kriegen”. Über diesen Punkt ist die Amtsjuristin in Bad Kreuznach längst hinaus. Im hiesigen Rechtsamt ist Gleichberechtigung im Solga’schen Sinne bereits Realität. Wer die Stadtverwaltung schon etwas länger beobachtet weiß:

Gute Bezahlung für schlechte Leistung

In der Ägide des langjährigen Stadtrechtsdirektors Burkhard Beye hat es eine vergleichbare Pannen- und Niederlagenserie, wie sie derzeit zu beklagen ist, nicht gegeben. Und die Stelle der Stadtrechtsdirektorin ist laut Stellenplan gleich eingestuft. Zumindest im Rechtsamt werden Frauen mittlerweile also bereits für erkennbar schlechtere Leistung gleich gut bezahlt wie Männer.

Krankenfahr- statt Rollstuhl

Damit steht fest: die derzeitige Lösung führt zu grossen Nachteilen für die Stadt. Oft dauert es viele Monate, bis verwaltungsintern und den Gremien vom Rechtsamt “Lösungen” für juristische Fragestellungen präsentiert werden. Diese spotten dann allerdings oft jeder Beschreibung. So beinhaltete der Satzungsentwurf für die Nutzung der städtischen Grünanlagen – neben der fragwürdigen Regelung, diese nach 22 Uhr bzw 24 Uhr nur noch zum “zügigen Durchqueren” betreten zu dürfen – den Begriff “Krankenfahrstuhl”.

Wortschöpfung “Böhle”

Der stammt aus den 30er Jahren. Seit dem zweiten Weltkrieg hatte man nicht nur in Fachkreisen erkannt, was die Betroffenen schon immer artikuliert haben, dass nämlich ein seit Geburt Körperbehinderter, ein Kriegsverletzter oder ein Unfallopfer nicht “krank” sind – und spricht weniger diskriminierend von Rollstühlen pp. In den Entwurf der Abwassersatzung mit dem Klarstellungsabsatz zu “Fettabscheidern” hatte sich die Wortschöpfung “Böhle” eingeschlichen.

Nach 3 Monaten “heiss gestrickt”

Entschuldigungsversuch der Verwaltung: nach dreimonatiger Vorbereitungszeit habe der Entwurf “mit heisser Nadel gestrickt werden müssen”. Wer wie PressemitarbeiterInnen tagesaktuell arbeitet, kann über solche Ausreden und Peinlichkeiten nicht mal mehr lachen. In der Auseinandersetzung mit dem Landkreis über die Reinigung der Containerstandplätze in der Stadt liegt laut amtlicher Presseerklärung vom 14.1.19 “die Zuständigkeit für die Klärung der Rechtsfrage, wer für das Einsammeln der widerrechtlichen Ablagerungen im Stadtgebiet verantwortlich ist, beim Rechtsamt”.

Kämmerei machte es selbst

In Abwandlung eines älteren VW-Werbeslogans darf formuliert werden: liegt. Und liegt. Und liegt. Und liegt. Konsequenz: einige Verwaltungsteile nehmen die “Hilfe” des Rechtsamtes gar nicht mehr in Anspruch – und machen es sich selbst. Wie die Kämmerei, die “aufgrund des krankheitsbedingten Ausfalles im Rechtsamt” (wörtliches Zitat aus der Sitzung des Finanzausschusses am 14.1.19), den formal korrekten Weg für die Beteiligung der GuT an der Rheinhessen-Touristik selbst ausbaldowerte.

Entwürfe fehlen

Dem Finanzausschuß liegt der im Juni vergangenen Jahres “bis Dezember 2018” von der Stadtrechtsdirektorin versprochene Abwassersatzungsentwurf in der Beschlußvariante mit Fettabscheiderklarstellung noch immer nicht vor. Der Hauptausschuß wartet seit dem Juni 2018 auf den Entwurf zur Änderung der Hauptsatzung, um das Aufzeichnen und Verbreiten von Stadtrats- und Ausschußssitzungen zu ermöglichen. Anfang September 2018 beantragte die SPD die Verlängerung der Sperrzeit in der Neustadt an den Jahrmarktstagen.

Symbol städtischen Inkompetenz

Über vier Monate später gabs am Montagabend im Hauptausschuß dazu vom Rechtsamt statt einer rechtssicheren Formulierung nur Bedenken. Fragen statt Antworten, Spekulationen statt Lösungen, Verzögerungen statt Zeitgewinn, FremdjuristInneneinsatz an Stelle eigener Leistung: wie lange wollen sich die Stadtratsfraktionen diese Pannenserie noch zumuten lassen? Das Rechtsamt ist längst zum Symbol der städtischen Inkompetenz geworden. Und die leistungsstarken Verwaltungsteile, wie Kämmerei, Sozialamt, Abwasserbetrieb, Rechnungsprüfungsamt, Bauhof und andere leiden darunter.

Strigidus Minor