Stadt baut für 730.000 Euro einen Fußgängersteg zum Abwasserwerk

Wer weiß, dass bei den Haushaltsberatungen in der letzten Woche minutenlang darüber gestritten wurde, ob sich die Stadt in 2020 Nachpflanzungen gefällter Stadtbäume gar nicht (so der Vorschlag der Verwaltung), für 5.000 Euro (so der gut gemeinte Antrag von Jürgen Locher – Die Linke) oder für 10.000 Euro (so der am Ende angenommen Antrag von Heike Fessner – Grüne) leisten kann, rollte vorgestern aufgrund der Mitteilungsvorlage in den Stadtratsunterlagen mit den Augen. Denn für einen Fußgängersteg von der Gensinger Strasse zum Abwasserwerk wird die Stadt 730.000 Euro ausgeben. Weil der Stadtrat im März, April und Mai nicht tagte, traf die kostenträchtige Entscheidung der Stadtvorstand.

Dieser geteerte Weg führt von der Gensinger Strasse (Vordergrund) zum Abwasserwerk der Stadt (Bildhintergrund rechts). Bei Hochwasser ist diese Fläche geflutet.

Der besteht aus der Oberbürgermeisterin Dr. Kaster-Meurer, dem Bürgermeister Wolfgang Heinrich und dem Beigeordneten Markus Schlosser. Erinnern wir uns: der Löwensteg über die Bahngleise zwischen Kohleweg und Bahnstrasse müßte seit Jahren ersetzt werden. Und war 2018/19 viele Monate lang wegen Baufälligkeit gesperrt. Während der Löwensteg eine zentrale Nord-Süd-Verbindung für täglich tausende von Fußgänger-, Radfahrer- und Rollstuhlfahrer*Innen ist, wird es auf dem Abwasser-Steg nur Dienstgänge geben. Und die auch nur an den wenigen Tagen im Jahr, an denen das Hochwasser der Nahe so mächtig ist, dass es den Bypass längs der Gensinger Strasse flutet.

Die Vorbereitungsarbeiten für den Brückenbau mitten in der Naheaue haben bereits begonnen.

An diesen Tagen nämlich ist das Klärwerk rundherum vom Wasser umspült. Und das für den sicheren Betrieb dringend erforderliche Personal muß (kein Witz) per Hubschrauber auf die Abwasser-Insel geflogen werden. Um die mit dem Heli-Transport verbundenen Kosten und Risiken zu sparen, ist der Brückenbau erforderlich. Auch die Frage, wieso die Stadt kein Geld für Strassenbäume, aber einen nur wenige Tage im Jahr genutzten 730.000-Euro-Steg hat, läßt sich leicht beantworten: Die Baumaßnahme wird nämlich nicht aus dem normalen Stadthaushalt bezahlt, sondern aus dem Gebührenhaushalt des Abwasserbetriebes.

Denn der Steg muß bereits im Oktober 2020 errichtet sein, wenn amtlich bescheinigt die Hochwasserzeit beginnt.

Weil da jede und jeder zahlen muß und es praktisch keine Ausfälle gibt, ist immer Geld da. Wie Bürgermeister Wolfgang Heinrich bereits im Finanzausschuß ausgeführt hat, sind derartige Investitionen aber auch aus volkswirtschaftlichen Gründen von Bedeutung. Das Stichwort lautet “antizyklische Investitionspolitik”. Gerade wenn sich wie derzeit coronabedingt die Wirtschaft schwer tut, sind öffentliche Ausgaben ein wertvoller Beitrag, um Arbeitsplätze zu sichern und die Konjunktur zu stützen. Es sagt zwar so keiner, aber letztendlich ist es so: schön fleissig WC und Bad benutzen und die Nebenkosten zahlen. Dann läuft es auch mit der Wirtschaft.

Die Eilentscheidung und ihre Begründung im Wortlaut:

“Der Stadtvorstand beschließt, den Auftrag zum Neubau des Fußgängerstegs zwischen Gensinger Straße und Kläranlage an die Fa. Rohr- und Metallbau Busch GmbH, 49828 Osterwald in Höhe von 729.798,68 € zu vergeben.

In der Finanzausschusssitzung am 03.02.2020 wurde die Zustimmung zur sofortigen Ausschreibung erteilt. Die Notwendigkeit der schnellen Ausschreibung ist begründet in der Baugenehmigung des Projektes. Die SGD Nord erlaubt für die Bauarbeiten nur den Zeitraum der hochwasserfreien Zeit, was etwa Mai bis Oktober entspricht. Somit musste sofort ausgeschrieben werden und es muss auch schnellstens nach Submission und Prüfung der Angebote der Auftrag erteilt werden. Insgesamt haben 12 Bieter ein Angebot abgegeben, mit einer Preisspanne zw. Rd. 730 T€ und 1.300 T€.

Der Auftrag soll nun an den Mindestbieter, die Fa. Rohr- und Metallbau Busch GmbH,’ Osterwald erfolgen. Der Nachunternehmer für die Betonarbeiten ist die Fa. Gerharz GmbH, Bad Kreuznach. Alle notwendigen Unterlagen zur Auftragsvergabe wurden von der Fa. Busch vorgelegt, ebenso für den Hauptnachunternehmer Fa. Gerharz (präqualifiziert). Auch wurde ein Bietergespräch mit der Fa. Busch in Beisein der Fa. Gerharz und unseres Planers von Verheyen Ingenieure geführt (Telefonkonferenz) um Unklarheiten in einigen Positionen auszuräumen.

Von den angegebenen Referenzen wurde drei nachgefragt mit guter Resonanz. Mit dem RPA wurde das Projekt telefonisch vorbesprochen, weil eine Prüfung aufgrund der Coronapandemie erst nach Auftragsvergabe erfolgen kann. Die Wichtigkeit der schnellen Auftragsvergabe liegt auch in den Lieferzeiten der Stahlbauelemente die z. Z. bei 10 Wochen nach schriftlichem Auftrag terminiert sind. Wir bitten um Zustimmung zur Auftragsvergabe an die Fa. Rohr- und Stahlbau Busch GmbH, Osterwald. In Wirtschaftsplan sind Mittel für das Projekt in Höhe von 450 T€ veranschlagt.

Die zusätzlich notwendigen 280 T€ werden durch das Projekt Umbau/Erweiterung Bürogebäude abgedeckt, dass erst später im Jahr ausgeschrieben werden kann und somit überwiegend im kommenden Jahr umgesetzt wird. Die Kostensteigerung liegt zum einen daran, dass unser Kostenansatz schon aus 2017 ist und die deutliche Preissteigerung bei Stahlelementen noch nicht Berücksichtigung fand. Zum zweiten ist zurzeit der Brückenbau im westlichen Deutschland konjunkturstark was an den zwölf Angeboten zum Projekt und den höheren Angebotspreisen zu erkennen ist”.

Zum Schutz des Bodens in der Naheaue sind umfangeiche Vorkehrungen getroffen worden. So wurden Folien ausgelegt und mit Schüttmaterial bedeckt, damit Ketten und Räder das Kunststofmaterial nicht verletzen.