Gina Burgess-Winning forschte im Haus der Stadtgeschichte nach Vorfahren

Lore Freudenthal konnte noch rechtzeitig dem Grauen des Nationalsozialismus entfliehen. Im Alter von neun Jahren kam sie mit einem Kindertransport am 24.August 1939 von Frankfurt/Main nach England. Dort heiratete sie 1961 Dr. Alan Burgess und starb 1988 ohne jemals mit ihren beiden Kindern über die Zeit in Nazi-Deutschland gesprochen zu haben. „Meine Mutter war traumatisiert. Ich wusste nichts von meiner Familie“, erzählt Gina Burgess-Winning, die vor über zwanzig Jahren begann, ihre Familiengeschichte zu erforschen. Eine Spur führt nach Bad Kreuznach, wo ihre beiden Großtanten Auguste und Bertha Oppenheimer lebten.

Zur Stolpersteinverlegung für Auguste Oppenheimer reiste sie aus England an und informierte sich bei dieser Gelegenheit bei Stadtarchivarin Franziska Blum-Gabelmann über Zeugnisse der Bad Kreuznacher Zeit von 1889 bis zur Deportation von Auguste Oppenheimer am 27. Juli 1942. Über den Alltag der jüdischen Mitbürger in den 20er- und 30er-Jahren des 20. Jahrhunderts hat Gina Burgess-Winning in der Materialsammlung jüdische Gemeinde nachgelesen. Mit akribischer Fleißarbeit hat sie den Stammbaum ihrer Familie Oppenheimer aus Laufersfelden erstellt. Er geht zurück bis in Jahr 1745. In der 4. Generation kommt Bertha Oppenheimer am 3. Februar 1889 nach Bad Kreuznach und eröffnet in der Mannheimer Straße 116 ein kleines Geschäft als Korsettmacherin.

Ihre Schwester August folgt ihr im Jahr 1901. Kurze Zeit war auch eine weitere Schwester, Jeanette Oppenheimer, in Bad Kreuznach. Bertha stirbt 1926 und wird auf dem jüdischen Friedhof beerdigt. Laut Melderegister der Stadt ist Auguste nach dem Tod ihrer Schwester mehrfach umgezogen. Der Rassismus der Nationalsozialisten zeigt sich auch in seiner perfiden Bürokratie. So ist Auguste Oppenheimer im Adressbuch von 1937, fünf Jahre vor ihrer Deportation nach Theresienstadt nicht mehr aufgeführt. Der Stolperstein, der an ihr Schicksal erinnert, liegt vor dem Haus in der Römerstraße 2. Ihre letzte Station ist die Hochstraße 42 bevor sie mit 109 weiteren jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern von der Sammelstätte Concordiasaal im Kolpinghaus am 27. Juli 1942 zum Bahnhof getrieben und in Frachtwaggons eingepfercht in das KZ Theresienstadt gebracht wird, wo sie im September 1942 von den Nazis ermordet wird.

Bei ihrer Familienrecherche wird Gina Burgess-Winnung von Hans-Peter Klein unterstützt. Sie kennen sich von den Stolpersteinverlegungen für die Familie Freudenthal 2009 im hessischen Laisa und er begleitete sie auch zur Stolpersteinverlegung nach Bad Kreuznach. Hans-Peter Klein, pensionierter Gymnasiallehrer für Deutsch, Geschichte, Politik und Latein, hat großen Anteil an der Erforschung und Bewahrung der jüdischen Geschichte in Nordhessen. Er hat sich engagiert im Verein zur Erhalt der ehemaligen Synagoge in Gudensberg, die heute als Kulturhaus Synagoge Gudensberg eine Musikschule beherbergt und dank Hans-Peter Klein eine Dauerausstellung über die jüdische Gemeinde in Gudensberg zeigt. Klein kennt sich auch bestens in Bad Kreuznach aus, wo er 1951 geboren wurde und aufgewachsen ist. „Mein Großvater Johann Schild gehörte die Bäckerei Schild in der Mühlenstraße. Sie wurde später von meiner Tante Maria Schlitter und ihrem Mann Karl übernommen.“ Von daher kommt Klein immer wieder gerne in seine Geburtsstadt zurück.

Text und Bild: Stadtverwaltung Bad Kreuznach