Meinung: alle sind gefordert – vor allem die Radfahrer*Innen

Von unserem Redakteur
Claus Jotzo

Das Problem jeder Pauschalisierung: sie tut Unrecht. Ja, es gibt auch Fußgänger*Innen, die auf Radwegen laufen. Oder durch breites Nebeneinandergehen gemeinsame Verkehrsflächen für Radfahrer*Innen blockieren. Und es stimmt: obwohl das Fahrrad schon immer ein positives Image hatte, stand und steht das Auto viel zu sehr im Mittelpunkt verkehrstechnischer und – rechtlicher Überlegungen. Radfahrer*Innen dürfen sich über Jahrzehnte benachteiligt und als Stiefkinder amtlicher Verkehrspolitik sehen. Das ändert aber nichts an ganz einfachen Realitäten: die schwächsten und schutzbedürftigsten Verkehrsteilnehmer*Innen sind und bleiben die Fußgänger*Innen.

Die Verkehrswende fängt im Kopf an – oder gar nicht

Und das Fehlverhalten einer namhaften Gruppe von Radfahrer*Innen (Radeln auf Gehwegen, unangemessene Geschwindigkeit usw) macht es den Autofahrer*Innen leicht, bei den Fußgänger*Innen Verbündete gegen mehr Radverkehr zu mobilisieren. Wer die Verkehrswende auf eine breite Basis stellen möchte muß erkennen, dass es es nicht ein Problem des Fortbewegungsmittels ist, sondern eine Charakterfrage. Die Idioten werden nicht am Steuer eines Kfz rücksichtslos oder stark ichbezogen. Sie waren das schon vorher. Und bleiben es demzufolge auch am Lenker von Rad oder Roller. Hier ist gesellschaftlich anzusetzen. Der im Einzelfall wie gesagt berechtigte Hinweis auf das Fehlverhalten von Fußgänger*Innen bringt viel zu wenig und führt die notwenige gesellschaftliche Diskussion in die Irre.

Automobile Schwachmaten, die sich wie diese SUV-Fahrerin rücksichtslos und rechtswidrig verhalten, müssen angemessen bestraft werden. Aus purem Egoismus, nur um ein paar Zentimeter weiter vorn in einem selbst mitverschuldeten Stau zu stehen, gefährdet diese Mutter andere Kinder. Fußgangerüberwege müssen endlich geschützt werden.

Die Lösung kann nur in einer gesellschaftlichen Entwicklung, einem mentalen Entwicklungsprozess bestehen. Und dessen Erfolg hängt entscheidend davon ab, ob es den Radfahrer*Innen – anders als den Autofahrer*Innen – gelingt, in ihren Reihen Fußgänger*Innen formal korrekt und respektvoll zu behandeln. Auch wenn das Zeit kostet. Das ist ungerecht, aber richtig und zielführend. Hermann Holste und Thomas Fischer fällt da als Sympathieträger bei den Radfahrer*Innen eine wichtige Rolle zu. Und wir alle können froh sein, dass sie diese so engagiert annehmen.