Heike hats mal wieder verbockt

Von unserem Redakteur
Claus Jotzo

Die SPD darf mit Fug und Recht als die Kulturpartei in Bad Kreuznach bezeichnet werden. Schon seit den lange zurückliegenden Tagen des früheren Kulturdezerneten Karl-Georg Schindowski (t), dem die deutsche Sprache das schöne Bild von den “Krawallen aus Autoradios” verdankt, prägen vor allem Sozialdemokratinnen wie Renate Weirich und Helga Baumann nicht nur den kommunalpolitischen Bereich der örtlichen Kulturlandschaft, sondern sind über Jahrzehnte Teil der Kulturschaffendenszene selbst. So auch Annette Bauer. Daher ist nicht verwunderlich, dass die zeitweise bei der Fairen Liste tätige SPD-Frau sich als gute Besetzung für den Kulturausschuß sieht.

Die drei SPD-Mitglieder des Kulturausschusses und ihre Stellvertreter*Innen laut Stadtseite.

Und objektiv betrachtet sicher auch wäre. Wenn sich die Zusammensetzung des Gremiums nach Engagment und Kompetenz bestimmen würde. So ist es aber nicht. Wer im Kulturausschuß mitarbeiten darf, legt der Stadtrat fest auf Vorschlag der Fraktionen. Und die SPD hat als ihre drei Mitglieder Dr. Heinz Rüddel, Cäcilia Branzen und Lisa Lutzebäck benannt. Rüddel und Brantzen waren vorgestern Abend im Schloßparkmuseum persönlich anwesend. Und Lisa Lutzebäck wurde durch ihre erste Stellvertreterin Annette Henschel ersetzt. Trotzdem nahm Annette Bauer, formal eine Verhinderungsvertreterin von Cäcilia Brantzen, ungehindert von der Verwaltung ganz selbstverständlich am Sitzungstisch Platz, leistete – jeweils aufgerufen von der Oberbürgermeisterin – mehrere Wortbeiträge und stimmte bei den Abstimmungen mit.

Die Stadtseite gibt die Zahl der Mitglieder des Kulturausschusses korrekt mit 15 an: 14 vom Stadtrat gewählte Personen plus die Oberbürgermeisterin.

Alle drei Handlungen waren unzulässig. Denn am Sitzungstisch von Gremien dürfen nur die jeweiligen aktuellen Mitglieder sitzen. Die und ggf die Mitglieder des Stadtrates sind es auch, die Rederecht haben. Und die Zahl derer, die abstimmen dürfen, ist sogar auf der Stadtseite (die ansonsten eine leider erhebliche Fehlerquote aufweist) korrekt mit 15 angegeben. Am Donnerstagabend wurden aber bei mehreren Abstimmungen 16 Hände in die Höhe gestreckt. Weil Annette Bauer frisch-fromm-fröhlich-frei mitmachte. Verantwortlich für dieses formale Desaster: Sitzungsleiterin Dr. Kaster-Meurer. Die Oberbürgermeisterin nimmt es mit Formalien ohnhin nicht sehr genau.

Erleichterung durch Unkorrektheiten

Vor allem wenn Unkorrektheiten ihr unangenehme Situationen oder Mehrarbeit ersparen (diese Seite wird einen Fall veröffentlichen, der die Stadt einen sechsstelligen Betrag kosten kann, weil Dr. Kaster-Meurer persönlich Formalien mißachtet hat). Geradezu kleinkariert-formal geht die Oberbürgermeisterin allerdings dann vor, wenn sie in ihrer Wahrnehmung ihre Autorität beschädigt sieht. Wie zum Beispiel zu Beginn der Sitzung des Kulturausschusses am vergangenen Donnerstag. Da gab Cäcilia Brantzen einen substanziellen Hinweis. Allerdings ohne das Wort zu haben. Und die eigentlich mit Rederecht ausgestattete Sitzungsteilnehmerin nörgelte deswegen, weil sie nicht gleich dran kam.

OBin mags nichtöffentlich

Brantzen wurde sogleich von Dr. Kaster-Meurer sehr deutlich und mit Extra-Zucker darauf hingewiesen, “es wäre schön, wenn Sie sich melden”. Die Posse um das von Dr. Kaster-Meurer nicht ausgeschlossene Phantom-Mitglied des Kulturausschusses war natürlich nicht der einzige Rechtsverstoss der Oberbürgermeisterin in dieser Sitzung. Weil Dr. Kaster-Meurer, die einst angetreten war, um die Kommunalpolitik aus den Hinterzimmern zu holen, ihren persönlichen Tätigkeitsschwerpunkt längst dorthin verlagert hat, sind nichtöffentliche Sitzungsteile, bei denen sie lästige Pressevertreter*Innen und die Öffentlichkeit ausschließen kann, ihre Profession geworden.

Nach TOP 1 Nichtöffentlichkeit angekündigt

Und so kündigte die Oberbürgermeisterin in der Sitzung des Kulturausschusses nach Abarbeitung des ersten Tagesordnungspunktes um 18.20 Uhr einen nichtöffentlichen TOP zum Kunst- und Kulturpreis 2018 an. Ohne jede Begründung des Bedürfnisses nach Nichtöffentlichkeit. Weder stand dieser nichtöffentliche Punkt auf der verschickten und amtlich bekannt gemachten Tagesordnung. Noch gab die Oberbürgermeisterin auch nur den kleinsten Hinweis auf den Grund einer ggf vorliegenden Eilbedürfigkeit. Und schließlich war der erste Punkt der Tagesordnung zu diesem Zeitpunkt bereits abgearbeitet.

Vor Eintritt in die Tagesordnung – nicht mittendrin

Demzufolge kam eine Änderung der Tagesordnung unter juristischen Gesichtspunkten nicht mehr in Frage. Denn das Kommunalrecht normiert, dass “unmittelbar vor Eintritt in die Tagesordnung nach Anträgen zur Tagesordnung zu fragen und über eventuell derartige Anträge zu entscheiden ist”. Für alle, die nicht selbst darauf kommen: 50 Minuten nach Sitzungsbeginn ist nicht “unmittelbar vor Eintritt”. Und: auch eine Oberbürgermeisterin darf nicht machen wozu sie gerade Bock hat. Im Kommunalbrevier, das Dr. Kaster-Meurer den Mitgliedern des neugewählten Stadtrates in dessen konstituierender Sitzung am 27. Juni 2019 hat zukommen lassen, steht dazu wörtlich:

“Anträge zur Tagesordnung

Unmittelbar vor Eintritt in die Tagesordnung ist nach Anträgen zur Tagesordnung zu fragen und über evtl. derartige Anträge zu entscheiden. Das Recht, Anträge zur Tagesordnung zu stellen, haben der Vorsitzende, jedes Ratsmitglied sowie jede Fraktion. In Sitzungen der Ortsgemeinderäte steht das Antragsrecht auch dem Bürgermeister der Verbandsgemeinde bzw. einem von diesem beauftragten Bediensteten der Verbandsgemeindeverwaltung zu (§ 69 Abs. 1 GemO). Möglich sind Anträge auf Ergänzung der Tagesordnung bei Dringlichkeit (§ 34 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 GemO), Anträge auf Absetzung einzelner Beratungsgegenstände von der Tagesordnung (§ 34 Abs. 7 Satz 1 Nr. 2 GemO) und sonstige Anträge auf Änderung der Tagesordnung (§ 34 Abs. 7 Satz 2 GemO), die üblicherweise auf eine Änderung der Reihenfolge der Tagesordnung gerichtet sind.

Ergänzungen der Tagesordnung setzen voraus, dass Dringlichkeit im Sinne des § 34 Abs. 3 Satz 2 GemO vorliegt und der Gemeinderat mit Zweidrittelmehrheit beschließt. Maßgeblich ist die Zahl der abgegebenen Stimmen, Stimmenthaltungen und ungültige Stimmen zählen bei der Feststellung der Stimmenmehrheit nicht mit. Beschlussfassungen über die Absetzung einzelner Beratungsgegenstände von der Tagesordnung bedürfen einer Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen. Sonstige Anträge auf Änderung der Tagesordnung bedürfen der Zustimmung durch die einfache Mehrheit des Gemeinderates, es sei denn, es sollen Angelegenheiten statt im öffentlichen im nicht öffentlichen Teil behandelt werden; in diesem Fall ist eine Stimmenmehrheit von zwei Dritteln erforderlich (§ 35 Abs. 1 Satz 2 GemO).

Mit dem Landesgesetz zur Verbesserung direktdemokratischer Beteiligungsmöglichkeiten auf kommunaler Ebene (LT-Drs. 16/5578) ist die Möglichkeit des Gemeinderats weggefallen, bei einer Zweidrittelmehrheit im Einzelfall beschließen zu können, dass eine Angelegenheiten statt in öffentlicher in nicht öffentlicher Sitzung behandelt werden kann (vgl. § 35 Abs. 1 Satz 2 GemO a.F.). Hintergrund der neuen Regelung ist der in der Neufassung von § 35 Abs. 1 S. 1 GemO zum Ausdruck kommende Grundsatz der Sitzungsöffentlichkeit von Rats- und Ausschusssitzungen. Ein Ausschluss der Öffentlichkeit ist in Zukunft nur noch aus Gründen des Gemeinwohls oder wegen schutzwürdiger Interessen Einzelner möglich.

Dies erhöht die Anforderungen für einen Ausschluss der Öffentlichkeit deutlich. Hierdurch sollen Transparenz kommunalen Verwaltungshandelns, die Akzeptanz der Entscheidung und des Prozesses der Entscheidungsfindung erhöht werden. In § 5 Abs. 2 MGeschO GR sind einzelne Beratungsgegenstände aufgezählt, bei denen die Öffentlichkeit grundsätzlich ausgeschlossen ist, z.B. bei Personalangelegenheiten. § 5 Abs. 3 MGeschO GR enthält eine Kann-Regelung und sieht vor, dass ein Ausschluss der Öffentlichkeit z.B. bei Grundstücksangelegenheiten geboten sein kann.

Über Anträge, einen Beratungsgegenstand entgegen der Tagesordnung in öffentlicher oder nicht öffentlicher Sitzung zu behandeln, wird gemäß § 35 Abs. 1 Satz 2 GemO in nicht öffentlicher Sitzung beraten und entschieden. Die in nicht öffentlicher Sitzung gefassten Beschlüsse sind der Öffentlichkeit unverzüglich bekannt zu geben, sofern nicht Gründe des Gemeinwohls oder schutzwürdige Interessen Einzelner dem entgegenstehen, § 35 Abs. 1 Satz 3 GemO. Es folgt der Eintritt in die Tagesordnung”.

Gottkomplex

Diese Regeln des rheinland-pfälzischen Kommunalrechtes gelten natürlich nur für kommunalpolitisch tätige Menschen. Wer sich selbst als etwas anderes, höherwertiges sieht, muß sich an derartige Regeln natürlich nicht halten. Bei wikipedia.org haben wir dazu folgende Erläuterung gefunden:

“Gottkomplex (englisch: god complex), auch Gott-Komplex oder Gottmensch-Komplex ist eine populärpsychologische Bezeichnung für die unerschütterliche Selbstwahrnehmung eines Menschen, der glaubt, aufgrund von persönlichen Fähigkeiten, Privilegien oder seiner Unfehlbarkeit, gottgleich zu sein oder gottgleich zu handeln. Der Begriff wurde 1913 von dem britischen Psychoanalytiker Ernest Jones (1879–1958) in dem Artikel The God Complex: The Belief That One is God and the Resulting Character Traits geprägt.

Jones bezog diesen Begriff aber sehr eng auf Personen, die sich in dieser Rolle sehen und deshalb einen besonderen Drang haben, als Psychologe und/oder Psychiater in das Leben anderer einzugreifen. Später wurde die Begriffsverwendung verallgemeinert. Eine Person mit Gottkomplex kann sich beispielsweise weigern, die Möglichkeit ihres Irrtums oder Versagens zuzulassen oder zuzugeben, sogar angesichts unwiderlegbarer Beweise, unlösbarer Probleme oder unmöglicher Aufgaben. Eine solche Person ist auch extrem dogmatisch in ihren Ansichten, was sich darin äußert, dass diese Person von ihren persönlichen Meinungen spricht, als ob sie zweifellos richtig seien.

Jemand mit einem Gottkomplex zeigt beispielsweise keine Rücksicht auf die Konventionen und Forderungen der Gesellschaft und kann besondere persönliche Erwägungen oder Privilegien verlangen. Dabei sind in dem Charakter und Verhalten oft Narzissmus, vermeintliche Unfehlbarkeit im Denken und Handeln, Selbstüberschätzung, Realitätsverlust (bzw. fehlender Realitätsbezug) und dogmatisches Denken, also der allgemeine Glaube die einzigen, richtigen Werte und Ideale zu vertreten, zu erkennen”.