Kommunalpolitik intern: 286 Ausschuß- und Aufsichtsratposten zu vergeben

Von unserem Redakteur
Claus Jotzo

Mit der amtlichen Pressemitteilung 66/19 von gestern sucht die Stadt Ehrenamtler. Also Mitmenschen, die für kein bis wenig Geld viel Gutes für die Gemeinschaft tun. Allerdings geht es der Verwaltung nicht um öffentliche diskutierte Vorschläge für die Besetzung der 286 Ausschuß- und Aufsichtsratsposten, die in der Stadtratssitzung am 27. Juni vergeben werden.

Einfluß nehmen im Ausschuß

Für die allermeisten dieser Gremienplätze gibt es zwar tatsächlich wenig Geld. Aber wer so einen Posten hat, könnte da etwas bewegen, Fragen stellen und Einfluß nehmen. Daher informiert die Stadtverwaltung darüber nicht. Der Aufruf gilt der Ehrenamtsbörse im Haus der Senior*Innen, die “neue Helferinnen und Helfer” sucht (siehe unser gesonderter Bericht vom Tage).

Stadt informiert nicht

Interessierte Bürger*Innen erfahren von Ihrer eigenen Stadtverwaltung leider nicht, wie sie sich für die Stadtgemeinschaft engagieren können. Denn rechtlich wäre dies möglich. Zwar bestimmt § 44 Gemeindeordnung (GemO), dass “mindestens die Hälfte der Mitglieder eines Ausschusses” Ratsmitglieder sein sollen.

Einbeziehung möglich

Das ermöglicht in Bad Kreuznach theoretisch allerdings die Einbeziehung von mehr als 100 Personen, die am 26. Mai nicht in den Stadtrat gewählt wurden. Das Vorschlagsrecht für die Besetzung der Ausschüsse und Aufsichtsräte liegt bei den im Rat vertreten Parteien und Listen. Denen stehen je nach Gremiengrösse je ein bis fünf Plätze zu.

So verteilen sich die Sitze (18) im Haupt-, Planungs- und Finanzausschuß.

So könnten im Haupt-, Planungs- und Finanzausschuß, die jeweils 18 Sitze haben sollen, jeweils acht Bürger*Innen mitarbeiten, die nicht im Stadtrat sitzen, aber von der Materie Ahnung haben. Vergeben werden dort jeweils von der CDU 5, der SPD 4, den Grünen 3, AfD und FDP je 2, Linke und Fraktion FWG-BüFEP je 1 Platz.

Mit “Zählgemeinschaft 1” meint die Stadtverwaltung die kommunalpolitische Ehe zwischen FDP und Fairer Liste.

14 Köpfe groß und damit Platz für je sechs stadtratsfreie Bürger*Innen sind die Aufsichtsräte der städtischen BAD, BGK und GuT GmbH und die Ausschüsse für Kultur, Soziales, Sport, Landwirtschaft, Rechnungsprüfung und Stadtepartnerschaften. Wieviele Posten da wo zu vergeben sind, hat Lukas Wirz den im Rat vertretenen Listen und Parteien gestern mitgeteilt.

Mit “Zählgemeinschaft 2” meint die Stadtverwaltung die Fraktionsgemeinschaft von Karl-Heinz Delaveaux (FWG) und Wilhelm Zimmerlin (BüFEP).

Und diese aufgefordert bis zum 25. Juni ihre Besetzungslisten vorzulegen. Die schlichte Mitteilung des Sachbearbeiters aus dem Hauptamt dürfte bei den Angeschriebenen hektische Betriebsamkeit ausgelöst haben. Denn gerade mal eine Woche Zeit um die richtige Besetzuung für 24 Gremien zu finden: wer sich darum nicht schon gleich nach dem Wahltag gekümmert hat, dürfte jetzt ins Rotationsprinzip verfallen.

In allen Tabellen steht rechts unter “Sitze” bei FREIE WÄHLER (FW) und den Progressiven “0”. Was allerdings nur Dr. Drumm bedeutet, in keinem Ausschuss vertreten zu sein. Stefan Butz (Progressive) bleibt zwar offiziell Einzelkämpfer, wird aber von der Fraktion Die Linke unterstützt.

Dabei sind die Probleme ganz unterschiedlich. Den Grünen und der AfD (aufgrund ihrer Wahlergebnisse) und der FDP (aufgrund der Kooperation mit der Fairen Liste) fällt die Aufgabe zu, viel mehr Plätze besetzen zu müssen, als gewohnt. Den Liberalen sollte dies noch am leichtesten gelingen.

AfD dürfte Probleme haben

Sie waren schon die einzige der Kleinen, die es geschafft haben eine mit 44 Kandidat*Innen vollständig besetzte Liste aufzustellen. Die AfD, deren Mitglieder über null kommunalpolitische Erfahrung verfügen und die vom Recht aller Bürger*Innen, Stadtrats- und Ausschußsitzungen als Zuhörer zu besuchen, um sich sachkundig zu machen, kaum Gebrauch machten, dürfte da grössere Probleme haben.

Grüne Stadtratsmitglieder müssen ran

Und wenn man die letzten Mitgliederversammlungen der Grünen berücksichtigt (so nahmen an der Listenaufstellung nur rund ein Dutzend Ökopaxe teil) fehlt es dort ein gutes Stück am personellen Unterbau für das spektakuläre Wahlergebnis. Auf die Stadtratsmitglieder, die schon in den vergangenen 5 Jahren die Masse der grünen Ausschußmitglieder stellten, wird da einiges an Sitzungsarbeit zukommen.

Weniger Plätze für Schwarze und Rote

Die Strippenzieher von CDU und SPD hätten diese Sorgen gern. Ihnen stellt sich eine ganz andere Aufgabe: sie müssen – insbesondere die Sozialdemokraten – unzählige Genossen bzw Parteifreunde zurückweisen. Die SPD hat ein Drittel ihrer Ratsmandate (5) verloren. Die CDU zwei. Auch bei unveränderter Ausschußgröße bedeutet dies: weniger Plätze für Schwarze und Rote.

Genossen müssen reduzieren

In den drei entscheidungsstarken Ausschüssen (Haupt, Finanzen und Planung) stehen den Genossen künftig nur noch 4 statt wie bisher 6 Plätze zu. Das Hauen und Stechen, wer da jetzt zum Zug kommt, hat bei der SPD schon am Tag nach der Wahl begonnen. Und es dürfte auch mit der Besetzung im Stadtrat am 27. Juni nicht beendet sein.

Nebenwirkungen nicht auszuschließen

Denn jene Parteigenossen, die sich zwar im Wahlkampf engagierten, aber den Sprung unter die “Top 10” nicht schafften, wollen in den Gremien mitmachen. Weil nur dort Kommunalpolitik praktisch konkret gestaltet werden kann. Bei jeder/jedem, die/der da – in ihrer/seiner Wahrnehmung – nicht angemessen berücksichtigt wird, sind Nebenwirkungen und Spätfolgen nicht auszuschließen.

CDU etwas entspannter

Ganz so krass liegen die parteiinternen Probleme bei der CDU nicht. Die Christdemokraten müssen wegen der moderateren Wahlschlappe nur auf wenige Ausschußplätze verzichten. Und in deren Reihen drängten sich auch durch Wahlkampfaktivitäten weniger Parteifreunde auf, deren Ambitionen jetzt zufriedenzustellen sind.

Wer darf zu den Stadtwerken?


CDU-intern entbrennen die Konfliktlinien weniger um die Fachausschüsse, sondern mehr um die Aufsichtsräte. Wer darf zu den Stadtwerken, der Gewobau, in den der BAD GmbH? Und dann hat die CDU ja auch noch eine ganz spezielle Aufgabe: wie kann der Sachverstand und die Erfahrung des früheren Fraktionschefs Werner Klopfer gerettet werden?

Dominante Führungskraft

Zwar sind einige in der neuen CDU-Fraktion froh, die dominante Führungskraft los zu sein. Aber dem ein oder anderen dämmert schon, dass sich im “schwarzen Dutzend” keine befindet, die sich wie Klopfer die Zeit nehmen möchte für Sach- und Kärrnerarbeit. Viele haben Klopfer zudem nicht vergessen, dass dieser aus eigenem Entschluß auf eine Kampfkandidatur bei der Listenaufstellung verzichtete.

Dankbarkeit und Vergebung

Und so der Bad Kreuznacher CDU eine weitere schwächende interne Konfrontation ersparte. Und anders als bei den Genossen, deren Umgang mit ihren Bundesvorsitzenden seit vielen Jahren gravierende Probleme mit der innerparteilichen sozialen Balance aufzeigt, wissen viele Christdemkraten noch, wie man Dankbarkeit schreibt. Und das Vergebung nicht nur ein Wort aus längst vergangenen Zeiten ist.

Die weiteren Gremien-Grössen im Überblick (bezogen auf die vom Stadtrat zu wählenden Mitglieder):

Ausschuss für Wirtschaftsförderung und Konversion – 12 Mitglieder
Stadtrechtsausschuss (wird erst im November gewählt) – 12 Mitglieder
Feuerwehrausschuss – 12 Mitglieder
Ausschuss für Messen und Märkte (Jahrmarktsausschuß) – 12 Mitglieder
Schulträgerausschuß – 11 Mitglieder
Jugendhilfeausschuss – 8 Mitglieder
Aufsichtsrat Gewobau – 8 Mitglieder
Aufsichtsrat der Stadtwerke – 7 Mitglieder
Mitglieder der Stadt in der Zweckverbandsversammlung der Sparkasse Rhein-Nahe – 5
Kuratorium Karl-Geib-Museum – 3 Mitglieder
Umlegungsausschuss – 2 Mitglieder
Mitglieder der Stadt im Verwaltungsrat der Sparkasse Rhein-Nahe – 2


Diese Tabelle macht die Dramatik des Wahlergebnisses sachlich deutlich: wenn nur 3 Plätze zu verteilen sind, geht je einer an CDU, SPD und Grüne. Hätte das vor zwei Jahren irgendwo irgendeine gesagt – sie wäre ausgelacht worden.

Zitate aus der Gemeindeordnung (GemO):

§ 44 Bildung von Ausschüssen

(1) Der Gemeinderat kann für bestimmte Aufgabenbereiche zur Vorbereitung seiner Beschlüsse oder zur abschließenden Entscheidung Ausschüsse bilden. Die Ausschüsse setzen sich entweder nur aus Ratsmitgliedern oder aus Ratsmitgliedern und sonstigen wählbaren Bürgern der Gemeinde zusammen; mindestens die Hälfte der Mitglieder eines Ausschusses soll jedoch Ratsmitglied sein. Personen, deren Amt nach den Bestimmungen dieses Gesetzes oder des Kommunalwahlgesetzes mit dem Amt eines Mitglieds des Gemeinderats nicht vereinbar ist, können einem Ausschuss nicht angehören.

(2) Der Gemeinderat bestimmt das Nähere über die Zahl, die Aufgaben und die Bezeichnung der Ausschüsse sowie die Mitgliederzahl und die Zahl der sonstigen wählbaren Bürger der Gemeinde in den einzelnen Ausschüssen. Diese Bestimmungen können auch durch die Hauptsatzung getroffen werden.

(3) Der Gemeinderat kann einen Ausschuss auflösen oder ihm übertragene Zuständigkeiten entziehen. Er kann außerdem Angelegenheiten an sich ziehen und Beschlüsse eines Ausschusses aufheben oder ändern, soweit auf Grund dieser Beschlüsse nicht bereits Rechte Dritter entstanden sind.

(4) Soweit durch Rechtsvorschrift nicht etwas anderes bestimmt ist, gelten sinngemäß die Bestimmungen des Absatzes 1 Satz 2 und 3, des Absatzes 2 Satz 1 sowie der §§ 45 und 46 auch für andere Ausschüsse, Beratungs- oder Beschlussorgane, deren Mitglieder vom Gemeinderat zu wählen sind. Sofern auf Grund einer Rechtsvorschrift der Gemeinderat hierbei an Vorschläge Dritter gebunden ist, gilt für das Wahlverfahren § 45 Abs. 2.

§ 45 Mitgliedschaft in den Ausschüssen

(1) Die Mitglieder der Ausschüsse und ihre Stellvertreter werden auf Grund von Vorschlägen der im Gemeinderat vertretenen politischen Gruppen (Ratsmitglieder oder Gruppe von Ratsmitgliedern) gewählt. Wird nur ein Wahlvorschlag gemacht, so ist hierüber abzustimmen; die vorgeschlagenen Personen sind gewählt, wenn die Mehrheit der gesetzlichen Zahl der Mitglieder des Gemeinderats dem Wahlvorschlag zustimmt. Werden mehrere Wahlvorschläge gemacht, so werden die Ausschussmitglieder nach den Grundsätzen der Verhältniswahl gewählt; für die Zuteilung der Sitze gilt § 41 Abs. 1 und 2 des Kommunalwahlgesetzes entsprechend. Ersatzleute werden auf Vorschlag der politischen Gruppe, von der das ausgeschiedene Ausschussmitglied vorgeschlagen worden war, durch Mehrheitswahl gewählt.

(2) Wird kein Wahlvorschlag gemacht, so werden die Ausschussmitglieder nach den Grundsätzen der Mehrheitswahl (§ 33 Abs. 1 des Kommunalwahlgesetzes) gewählt.

3) Ändert sich das Stärkeverhältnis der im Gemeinderat vertretenen politischen Gruppen, so sind die Ausschussmitglieder gemäß Absatz 1 neu zu wählen, wenn sich auf Grund des neuen Stärkeverhältnisses eine andere Verteilung der Ausschusssitze ergeben würde.

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