Karl-Heinz Delaveaux für Bad Kreuznach auf dem Städtetag in Dortmund

Zusammen mit langjährigen Stadtratskollegen seine Heimatstadt zu vertreten: das ist für Karl-Heinz Delaveaux eine Ehrensache. Daher nahm der FWG-Stadtrat in der vergangenen Woche gern die Pflicht wahr, als Delegierter der Stadt Bad Kreuznach an der 40. ordentlichen Hauptversammlung des Deutschen Städtetages vom 4. bis 6. Juni in Dortmund teilzunehmen.

Wenn bei dieser Gelegenheit auch noch die Möglichkeit besteht, das deutsche Staatsoberhaupt zu treffen, wirft sich “Mister FWG” gern auch in Schale.

Für die auch an grundsätzlichen Aussagen zur Kommunalpolitik interessierten Leser*Innen hat Deleveaux die “Dortmunder Erklärung” mitgebracht:

1. Städte für Menschen

Das tägliche Zusammenleben, die Begegnungen mit anderen in der Stadt und das Lebensgefühl der Menschen entscheiden über Identifikation und Teilhabe. Städte sind Kristallisationspunkte gesellschaftlicher Entwicklun-gen: die wachsende Diversität unserer Stadtgesellschaften, soziale Schieflagen und individuelle schwierige Le-benssituationen finden sich auf engstem Raum. Das braucht Zusammenhalt. Die Städte gestalten Politik vor Ort so, dass sie mitnimmt und nicht ausgrenzt. Sie achten auf Bildungsgerechtig-keit, auf kulturelle und sportliche Angebote, die sich alle leisten können, auf Angebote in Volkshochschulen für Jung und Alt, auf ein attraktives, nachhaltig gestaltetes Lebensumfeld, auf Viertel und Räume, auf die die Men-schen stolz sein können, mit denen sie sich identifizieren. Das ist der Kern kommunaler Selbstverwaltung. Stadt ist mehr als die Summe von Aufgabenfeldern. Städte sind Ort gelebter Demokratie. Sie sind Ort von Gemeinschaft und Miteinander über Generationen hinweg. Hier sind Menschen verwurzelt, können Schutz und Sicherheit finden. Städte geben ein Gefühl von Heimat. Das alles schafft Zusammenhalt.

2. Dialog und Vertrauen

Die Stadt als Raum von Zusammenhalt steht und fällt mit der Glaubwürdigkeit der lokalen Politik. Die kommuna-le Ebene genießt bei den Menschen weiterhin großes Ansehen. Dies ist Bestätigung und Herausforderung zugleich. Politik muss zuhören, die Ängste der Menschen verstehen, Bedenken berücksichtigen oder entkräften, Abhilfe für Probleme schaffen, gute Initiativen und Ideen der Menschen aufnehmen und mit ihnen umsetzen. Auf der kommunalen Ebene spüren und fordern die Bürgerinnen und Bürger diesen Auftrag zuallererst. Kommunalpolitik kann und muss Zugang zu den Menschen finden und Antworten geben. Die Kommunen sind gefordert, die ökonomische, soziale, ökologische und kulturelle Zukunft mitzugestalten. Gefühlen von Entfremdung kann nur mit Vertrauen in und mit Redlichkeit von Politik begegnet werden. Unser Konsens zu den Werten einer freien und demokratischen Welt ist Grundlage und Anker. Alle gesellschaftlichen Gruppen und politischen Ebenen sind aufgerufen, für die Stärkung von Toleranz und demokratischen Werten einzutreten.

3. Begegnung und Miteinander

Der öffentliche Raum prägt das Bild der Stadt. Als Raum für Begegnung und Austausch, als Raum sozialer und kultureller Vielfalt und als Raum von Freiheit und Sicherheit ist er für unser gesellschaftliches Leben unverzicht-bar. Die Ansprüche der Menschen an die Gestaltung der öffentlichen Orte und Plätze wachsen. Eine Politik, die Miteinander und Begegnung in der Öffentlichkeit ermöglicht, gehört zum Kernbereich der Daseinsvorsorge. Eine gerechte Verteilung, der sichere Zugang, die flexible Nutzbarkeit und gute Gestaltung öffentlicher Räume erfor-dert zunehmend einen neuen Blick. Lebensqualität für alle Menschen muss das Ziel sein.

4. Zukunftschancen gewährleisten

Unser Land muss Lebensqualität und Zukunftschancen für alle Menschen sicherstellen, egal an welchem Ort sie leben. Die Menschen müssen Verbesserungen vor Ort spüren, damit gleichwertige Lebensverhältnisse näher rücken. Städte ermöglichen Zusammenleben und schaffen Zusammenhalt. Eine gute Basis für ihre Zukunft muss gesichert werden. Zentral ist eine gesicherte kommunale Finanzausstattung, die Investitionen ermöglicht und den erheblichen Investitionsstau in den Städten abbauen hilft. Wichtige kommunale Einnahmequellen, wie die Grundsteuer, dürfen nicht gefährdet werden. Strukturschwache Städte und Regionen brauchen zielgenaue Hilfen. Die Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur sollte deutlich ausgeweitet werden. Altschulden erdrücken die Gestaltungsmöglichkeiten der betroffenen Städte. Hier brauchen die Städte Hilfe. Für die finanzschwachen Länder, die nicht allein ein Altschuldenprogramm auflegen können, wird der Bund Entschuldungs- und Konsolidierungsprogramme unterstützen müssen. Kommunale Eigenanstrengungen sind selbst-verständlich. Trotz allem bleibt das Problem der ständig steigenden, nicht steuerbaren Sozialausgaben. Wir brauchen deshalb weitere Entlastungen. Ein Weg wäre, dass der Bund den Kommunen über eine höhere Bundesbeteiligung an den Unterkunftskosten nach dem SGB II hilft. Das würde gerade Kommunen mit hohen Sozialausgaben helfen und strukturschwachen Städte erleichtern, Altschulden zu reduzieren. Zukunftschancen und Chancengleichheit fangen bei der frühkindlichen Bildung an. Sie ist Aufgabe der gesamten Gesellschaft. Ob bei dem weiterhin erforderlichen Aufbau und qualitativen Ausbau der Kindertagesbetreuung oder bei einem Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung für Grundschulkinder: der Bund und die Länder müssen die Finanzierung dauerhaft sicherstellen. Ein Rechtsanspruch auf ganztägige verlässliche Bildung muss dort an-gesiedelt werden, wo er fachlich und organisatorisch hingehört: im Schulrecht der Länder und nicht in einem Bundesgesetz.

5. Verkehr neu denken

Damit die Städte zukunftsfähige und lebenswerte Orte bleiben, muss sich die Mobilität in den Städten deutlich nachhaltiger entwickeln. Die verfügbare Fläche muss neu aufgeteilt werden. Es gilt, öffentliche Räume wieder vermehrt zu Begegnungsflächen zu entwickeln und vom Auto zurückzugewinnen. Carsharing-Angebote, Mietradsysteme oder E-Roller werden traditionelles Verkehrsverhalten verändern. Busse und Bahnen aber müssen als Rückgrat des städtischen Verkehrs attraktiv bleiben und auf die zunehmende Nachfrage reagieren können. Entscheidend ist, ein Gesamtkonzept für nachhaltige Mobilität auf den Weg zu bringen. Wir brauchen einen leichteren Wechsel zwischen den Verkehrsarten. Die Verkehrswende muss deutlich an Fahrt gewinnen. Die Fußgänger-, Fahrrad- und ÖPNV-Mobilität muss um- und ausgebaut und in Teilen saniert und ertüchtigt werden. Damit eine Verkehrswende hin zu nachhaltiger Mobilität angeschoben werden kann, ist eine Investitionsoffensive von Bund und Ländern mit zusätzlichen Mitteln von 20 Milliarden Euro verteilt auf 10 Jahre notwendig. Eine Verkehrswende braucht es allein schon aus Klimaschutzgründen. Für Diesel-Pkw bleibt eine Hardware-Nachrüstung zwingend nötig. Das Sofortprogramm der Bundesregierung für saubere Luft muss auf längere Sicht fortgeführt werden und alle Städte einbeziehen, die den Stickoxidgrenzwert überschreiten. Klimaschutz darf kein unbequemes Nischenthema bleiben.

6. Wohnen ist Existenzbedürfnis

Die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum ist Daseinsvorsorge und darf nicht allein dem Markt überlassen werden. Die soziale Wohnraumförderung bleibt in den kommenden Jahren elementar. Es kommt darauf an, den Wohnungsbau zu erleichtern, den Mangel an Bauland zu beheben und den Anstieg von Preisen bei Bauland, Baukosten und Mieten zu dämpfen. Entscheidend ist eine nachhaltige, gemeinwohlorientierte Bodenpolitik. Die Städte werden weiter Bauland mobilisieren und verdichten müssen, aber so, dass Bauten mit Qualität entstehen und eine soziale Mischung der Bevölkerung in Wohnvierteln gesichert wird. Die Kommunen sollten wieder aktiv Grundstücke kaufen und erschließen sowie die lokale Bodenpolitik gemeinwohlorientiert steuern können. Die Festlegung von Baugeboten für bestimmte Gebiete wäre dabei ein hilfreiches Instrument, um baureife Grundstücke für den Wohnungsbau nutzbar zu machen. Instrumente des Mietrechts, wie die Mietpreisbremse oder ein effektiv auszugestaltender § 5 Wirtschaftsstrafgesetz, brauchen qualifizierte Mietspiegel, die in ihrer öffentlichen Akzeptanz und Rechtssicherheit gestärkt werden.

7. Die Stadt in ihrer Region

Stadt und Land sind keine Gegensätze. Sie gehen ineinander über und ergänzen einander. Zukunftsfähige Städte brauchen strategische Partnerschaften und Allianzen in der Region. Planungsverbünde, verstärkte Kooperationen sowie verbesserte und verbindlichere Formen interkommunaler Zusammenarbeit werden zunehmen. Die Städte gehen neue Wege bei der Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben und der Leistungserbringung für die Bür-gerinnen und Bürger. Viel Potential für bessere Lösungen bei Wohnen und Verkehr ergeben sich, wenn wir die Städte stärker als bislang in ihren Regionen denken.

8. Städte für Zukunft

Die ideale Stadt ist integrativ, vielfältig, nachhaltig und sozial ausgeglichen. Die Urbanisierung zu gestalten und die Lebensqualität der Menschen sicherzustellen, sind die großen sozialen, ökologischen und ökonomischen Herausforderungen der Zukunft. Auf diese Herausforderungen müssen wir als Städte – nicht nur in Deutsch- land – Antworten finden. Die Städte wissen um die Bedeutung des Klimaschutzes. In jeder Stadt gibt es Möglichkeiten, noch stärker zum Erreichen der Klimaziele von Paris beizutragen. Es gilt, die Akzeptanz in der Bevölkerung für die notwendigen Schritte zu fördern. Es geht etwa darum, eine Verkehrswende, einen verstärkten Ausbau erneuerbarer Energien und größere Anstrengungen bei der energetischen Gebäudesanierung sowie eine stärkere Berücksichtigung von Klimaschutzkriterien bei der Bauleitplanung zu erreichen. Auch eine Bepreisung von CO2-Emissionen ist ein geeigneter und notwendiger Ansatz. Die Städte weisen darauf hin, dass all ihre Klimaschutzbemühungen an Grenzen stoßen, wenn Bund und Länder nicht ihren Beitrag zum Erreichen der Klimaziele leisten. Die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen stellen einen Handlungsrahmen auch für deutsche Städte dar. Wir wollen einen Beitrag leisten, die für die deutschen Städte bedeutsame Leipzig Charta zur nachhaltigen europäischen Stadt von 2007 zu einer Leipzig Charta 2.0 zu machen. Hier geht es noch stärker als bisher um den sozi-alen Zusammenhalt in den Städten und Regionen Europas, das Mitdenken der Konsequenzen unserer Entscheidungen und Investitionen auf globaler Ebene, die Änderung von Mobilitätsmustern und um einen wirksamen Klima- und Umweltschutz. Dazu gehören Grundsätze für eine nachhaltige Beschaffung, ressourcenschonendes Bauen und Unterstützung lokaler Projekte genauso wie Klimaanpassungsstrategien für die Raumgestaltung.

9. Vielfalt ist das Gesicht der Städte

Zugewanderte sind seit Jahrzehnten Teil unserer Gesellschaft. Diese Vielfalt ist eine Bereicherung für unsere Städte. Integration gelingt, wenn Zugewanderte und Aufnahmegesellschaft gleichermaßen in den Blick genommen werden. Die Integration von Flüchtlingen ist eine Daueraufgabe. Der Bund hat zugesichert, die Flüchtlingskosten weiter mitzufinanzieren. Darauf legen die Städte größten Wert. Deshalb darf der Bund seine Finanzhilfen in den nächsten drei Jahren nicht senken. Er muss sich auch in Zukunft maßgeblich an den Flüchtlingskosten der Länder und Kommunen beteiligen. Außerdem ist auch für geduldete Flüchtlinge, die nicht so schnell in ihre Heimat zurück können, Integration nötig. Die Städte erwarten, dass sie auch bei dieser Aufgabe nicht alleine gelassen werden.

10. Städte im Aufbruch

Die Digitalisierung verändert das Zusammenleben der Menschen, das Verhältnis zwischen Bürgerinnen und Bürgern, Verwaltung und Staat sowie das persönliche Empfinden der Menschen in einer bislang unbekannten Art und Weise. Die Städte sind gefordert, Orientierung und Antworten zu geben. Es braucht Mut und Vertrauen aller, neue Wege zu gehen und alte Gewohnheiten zu überwinden. Digitalisierung ist mehr als nur online Erreichbarkeit von Verwaltungen. Es geht um die Qualität unserer Abwägungs- und Entscheidungsprozesse, um die Anforderungen digitaler Kommunikation mit der Bürgerschaft, um digitale Resilienz bis hin zur Frage der E-Partizipation. Wir müssen die Smart City Möglichkeiten dort nutzen, wo sie Effizienzvorteile bieten und das Angebot der Daseinsvorsorge verbessern. Nicht alles, was technisch machbar ist, muss auch politisch sinnvoll sein. Digitalisierung ist dort wichtig, wo sie uns hilft, unsere politischen Ziele besser zu verwirklichen, etwa bei der Bildungsgerechtigkeit. Die Rathäuser und Ämter sind und bleiben offene Orte für persönlichen Kontakt und Beratung. Digitalisierung braucht vor allem aber zukunftsfeste Telekommunikationsnetze. Der Bund muss seine Zielsetzung einhalten, bis zum Jahr 2025 flächendeckend Gigabit-Netze zu schaffen. Für die Städte sind sie zentraler Standortfaktor.