Meinung: für wie doof haltet ihr eigentlich eure Zuhörer*Innen?

Von unserem Redakteur
Claus Jotzo

Im Finanzausschuß am 6. Mai: Wolfgang Kleudgen (FWG) setzt sich dafür ein, dass über die von der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) geforderten Einsparungen noch vor der Kommunalwahl entschieden wird. Von den “alten” Mitgliedern des Fachgremiums und den noch amtierenden Stadtratsmitgliedern. Seine Begründung: diese Personen haben den von der ADD kritisierten Haushalt auch beschlossen.

Erfahrung und Detailkenntnis

Seien also persönlich verantwortlich. Und im Laufe der vergangenen 5 Jahre hätten diese Mandatsträger einiges an Erfahrung und Detailkenntnis gesammelt. Daher könnten sie besonders sachgerecht entscheiden. Widerspruch gegen die Kleudgen-Argumentation kam von der SPD. Die möchte konkrete Beschlüsse auf einen Zeitpunkt nach der Wahl verschieben. Aber wie diese Flucht aus der Verantwortung begründen?

Meurer: Programme als Leitlinie

Günter Meurer hatte eine Idee. Der Gatte der Oberbürgermeisterin und SPD-Ortsparteichef führte aus: da die Parteien und Listen Programme haben, müßten sich auch die neuen Rats- und Ausschußmitglieder daran halten. Daher würden auch ohne Erfahrung und mit wenig Sachkenntnis die selben Entscheidungen getroffen. Folge der Meurer-Rabulistik: ungläubiges Staunen im Publikum. Widerspruch bei den kleinen Fraktionen.

Einsparbeschlüsse vertagt

Der von Meurer konfrontierte Wolfgang Kleudgen zeigte sich trotz zehnjähriger Erfahrung mit einschlägigen Dreistigkeiten aus der SPD-Fraktion sichtbar geschockt. Und schüttelte nur noch nachdenklich den Kopf. Weil auch die CDU vor der Wahl die kommunalpolitischen Hosen nicht runterlassen mochte, setzte die grosse Koalition der Unkonkretheit die Vertagung der Einsparbeschlüsse durch.

“Interessenvertretung wie die Stadtteile”

Im Hauptausschuß am 13. Mai: Wilhelm Zimmerlin (BüFEP) begründet seinen Antrag für die Einrichtung von Ortsbeiräten auch in der Kernstadt. “38.000 Einwohner*Innen brauchen endlich auch eine Interessenvertretung wie die Stadtteile”. Der erste Widerspruch kam wieder aus der SPD-Fraktion. Zimmerlin war darauf vorbereitet. Und zitierte genüsslich aus dem SPD-Wahlprogramm.

Pörksen: nicht alles aus dem Programm wird umgesetzt

Das fordert diese neuen Ortsbezirke wortwörtlich. Diesmal übernahm Carsten Pörksen die Aufgabe, den krassen Widerspruch zwischen SPD-Wahlprogramm und SPD-Redebeiträgen in den Gremien zu erklären. “Nicht alles, was im Programm steht, wird eben umgesetzt”, formuliert das erfahrene SPD-Schlachtroß. Das stimmt wohl.

Verlust an Glaubwürdigkeit

Und diese Tatsache ist einer der Gründe, warum die Altparteien einen demaßen brutalen Verlust an Glaubwürdigkeit und Wählerstimmen hinzunehmen haben. Dieser Teil der Wahrheit ist deren Problem. Aber der Gegensatz der Argumenationslinien, Meurer im Finanzausschuß und Pörksen im Hauptausschuß (wo Meurer dem Parteigenossen stumm zuhörte) bedarf einer Dokumentation. Und Bewertung.

Ernst gemeint oder Shownummer?

Wer sich derartige opportunistische Beliebigkeiten erlaubt, darf sich nicht wundern, wenn er kommunalpolitischen Einfluß einbüßt. Das ist dann verdient und folgerichtig. In den kommenden 5 Jahren wird nach diesen rhetorischen Schaumschlägerein jede Bürgerin und jeder Bürger bei Initiativen der SPD fragen dürfen: ist das jetzt ernst gemeint – oder doch wieder nur eine Shownummer?