Sind die Progressiven die kommunalpolitischen Erben der Jungen Liste?

Von unserem Redakteur
Claus Jotzo

Juni 1989. Christoph Schabbach (t) und Benno Garschina stürmen mit über 4% in den Stadtrat. Schabbach war mit 23 Jahren das jüngste Mitglied des Rates der Stadt in dessen Jahrzehnte langer Geschichte. Initiator der Jungen Liste, auf der auch der ein oder die andere über 40jährige kandidierte: der Stadtverband der Jungen Union. Die Jugendorgansiation der CDU hatte sich lokal von den Altvorderen losgesagt und so dafür gesorgt, dass junge Leute in den Stadtrat kamen.

“Man gönnt sich ja sonst nichts”

Den Wahlkampf belebte die Junge Liste mit Aktionen, die noch heute legendär sind. Das Motto auf den Plakaten war: “Man gönnt sich ja sonst nichts”. Und so sahen dann auch die Projekte aus. Konrad Hill spendete einen Lkw mit Äpfeln. Die brachte die Junge Liste unters Wahlvolk (“mit dem richtigen Biss läßt sich was erreichen”). Im Freibad Salinental wurden 5.000 Portionen Eis am Stiel verteilt.

Junge Leute in den Gremien Mangelware

Und mit dem Rat “auf Nummer sicher gehen” verschenkten die Jungwahlkämpfer tausende Kondome. Das ist 30 Jahre her. Geändert hat sich seit dem wenig. Bei den Werbemitteln der Parteien und Listen sind, wie in den siebziger Jahren, wieder Kugelschreiber und Kappen der “Hit”. Und junge Leute in den Gremien immer noch Mangelware. Wer die Treffen des Stadtrates und der Ausschüsse besucht, kann es sehen.

Karl-Heinz Delaveaux (FWG) witzelte daher bei der Sitzung des Wahlausschusses am 10. April “Wer im Stadtrat nicht 70 ist, gilt als Jugend” (siehe unser Bericht am 11.4.). Ändern wird daran auch die Kommunalwahl wenig. Zwar hat beispielsweise die CDU mit Maximilian Fröhlich auf Platz 5 (Foto) und Laura Ludwig auf Platz 13 zwei junge Leute sehr weit vorne auf ihre Liste gestellt. Damit haben die Christdemokraten nicht nur ein Zeichen gesetzt.

Sondern auch die wahlrechtsbedingten Chancen der beiden Mandate zu erhalten real erhöht. Aber eine von der Liste “Progressives Bad Kreuznach” (PBK) vorgenommene Alteranalyse aller Kandidat*Innen führt zu einem ernüchternden Ergebnis. Obwohl die Kommunalpolitik unbedingt frisches Blut und junge Gesichter bräuchte, dominieren “Erfahrung” und “Alter” das personelle Angebot an die Wählerschaft. Mit einer Ausnahme.

Die Liste der Progressiven bietet mit Abstand den niedrigsten Altersschnitt (36 Jahre). Dementgegen setzt zB die von Wilhelm Zimmerlin angeführte BüFEP mit dem Durchschnittsalter 65 voll auf Erfahrung. Sind die Progressiven also die kommunalpolitischen Erben der Jungen Liste? Was das Lebensalter betrifft: zweifellos. Bezogen auf die eingesetzten Wahlkampfmittel: sicher. Wer sonst setzt schon eine mobile Regentonne ein?

Und inhaltlich wertvolle Broschüren der Bundeszentrale für politische Bildung? Was Kreativität bei den Werbemitteln betrifft können nur noch der Planiger Ortsvorsteher Dirk Gaul-Roßkopf (parteilos) und CDU-Spitzenkandidat Manfred Rapp mithalten. Der Planiger erfreut die Umworbenen mit einer Minivariante von Aladins Wunderlampe und bringt Erleuchtung so auch in dunkelste Ecken des Stadtteiles.

Und Manfred Rapp (rechts) wirbt Dank einer Idee seines Bruders Andreas (Feinkost-Manufaktur “Vinella”) mit kleinen Probengläschen leckerer Konfitüren und Marmeladen. Und selbst inhaltlich sind die Differenzen zwischen den Progressiven und der Jungen Liste nicht unüberbrückbar. So wie die PBK heute hat die Junge Liste schon vor 30 Jahren das Ost-West-Trassen-Monstrum abgelehnt.

Butz verortet sich “links”

Und sich für einen Ausbau des Radwegenetzes eingesetzt – nötigenfalls auch zu Lasten des Autoverkehrs. Natürlich auch für mehr Transparenz und Öffentlichkeit kommunaler Entscheidungsprozesse. Nur in der politischen Selbstbeschreibung liegen beide Listen auseinander. Der Progressiven-Spitzenmann Stefan Butz verortet sich im Parteien-Spektrum “links”. Christoph Schabbach sah sich “konkret unparteipolitisch”.

Jugend fehlt Lobby

Und Benno Garschina “klar konservativ”. Mal sehen was 2019 aus dem Versuch wird die “Alt”parteien genau so aussehen zu lassen. Auffällig ist: während die in der Kommunalpolitik ebenfalls unterrepräsentierten Frauen mittlerweile eine Lobby haben, fehlt es den jüngeren Generationen daran nach wie vor. Sie verschaffen sich und ihren Themen nachhaltige öffentliche Wahrnehmung erst jetzt mit den “Fridays for future”.

Lesen Sie zum Thema auch auf dieser Seite:

11.04.19 – “Wer im Stadtrat nicht 70 ist, gilt als Jugend”
08.03.19 – “Frauen in die Parlamente – Gastbeitrag von Gerlinde Huppert-Pilarski”