Wirtschaftlicher Wert: 1,2 Millionen Euro

Für Antonio Valentino geht es nach dem Teilerfolg beim Stadtrechtsausschuss nur noch um 464 Euro. “Für die Stadt locker mal um 1,2 Millionen Euro”, ist sich der Inhaber vom Ponte Vecchio sicher. Denn Beiträge in dieser Höhe wird die GuT für 2016 und 2017 den bis zu 4.800 Beitragszahlern zusammen in Rechnung stellen – wenn die Bescheide irgendwann mal alle raus sind. “Und wenn ich gewinne bekommen alle ihr Geld zurück, die Widerspruch eingelegt haben”. 

Anders als beim Stadtrechtsausschuss darf Valentino jetzt Beweisanträge stellen und Zeugen vernehmen. “Und das werden wir auch nutzen”. “Wenn GuT und Stadtverwaltung weiter so mauern wie bisher wird das der spektakulärste Verwaltungsgerichtsprozess der letzten Jahre” ist sich Valentino sicher. Seit seinem Widerspruch vom 28.11.17 hat der Gastronom mit über 100 anderen Bescheidempfängern gesprochen und akribisch Material gesammelt. Valentino hat Dutzende von Vereinbarungen dokumentiert, die die GuT mit Beitragspflichtigen “individuell” getroffen hat. “Die Richter werden staunen”, ist er sich sicher. “Dem Gesetz nach müsste eigentlich das Verwaltungsgericht ermitteln – aber die werde ich erheblich entlasten”. Schon jetzt füllen die Schriftsätze Valentinos in den Eilverfahren je einen Aktenordner. “Und das ist nur ein kleiner Aufgalopp im Vergleich zu dem was, jetzt kommt”. 

Allein die Urteile des Bundesfinanzhofes (BFH) zum Thema Schätzungen machen fast 1.000 Blatt Papier aus. Steuerberater Martin Reiber, der Valentino beim Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz (OVG) vertritt hatte die Stadtjuristen schon am 23.3.18 davor gewarnt sich bei BFH-Urteilen auf den Urteilstenor zu verlassen: “Nur ein paar Zeilen Zusammenfassung lesen, mal schnell dünn drüber, das geht da nicht”. BFH-Entscheidungen, so Reiber, sind mit Urteilen der OVGs, des Bundesverwaltungsgerichtes und zivilrechtlichen der Landgerichte und des BGH nur schwer vergleichbar. “Eher noch mit Strafurteilen: sehr individuell und auf den Einzelfall bezogen”. Es komme auf kleinste Details in der Sachverhaltsdarstellung an. Und die nimmt man nach seiner Erfahrung nur wahr, wenn man statt des Tenors das ganze Urteil liest: “das ist oft sehr trockener Stoff” weiss der Steuerberater, der vor allem Mandanten im Rhein-Main-Gebiet schon einige Male in Beitragsrechtsstreiten gegen Kommunen erfolgreich unterstützt hat. “Jede Behauptung überprüfen, jede Rechnung durchleuchten” ist sein Credo. In einem Fall machte eine Stadt teure Edelstahlpoller bei Ausbaubeiträgen für das Gebiet A geltend, die tatsächlich im Planbereich B verbaut wurden. “Es lohnt immer genau hinzuschauen”. 

Daher freut sich Reiber darauf die Aufwandskalkulation der Stadt Bad Kreuznach nun unter die Lupe nehmen zu dürfen. “Mit schlichten Hinweisen auf Radwege und Toilettenanlagen ist es jetzt nicht mehr getan”, stellt Reiber fest. “Jetzt müssen sie harte Fakten auf den Tisch legen”. Und zwar jene, die vor Erlass der Beitragssatzungen dokumentiert wurden. “Ich bin gespannt” schmunzelt der Steuerberater wohl wissend, dass die Stadt bisher beim OVG keine korrekte Kalkulation vorlegen konnte, sondern nur eine – schon rechnerisch fehlerhafte – tabellarische Übersicht. “Damit kommen sie beim Verwaltungsgericht nicht durch”, ist sich Reiber sicher. 

Während das Rechtsamt der Stadt über 2 Monate benötigte, um die Begründung des am 23.3.18 vom Stadtrechtsausschuss gefassten Beschlusses bei Antonio Valentino vorzulegen, brauchte der nur einen Tag, um Klage beim Verwaltungsgericht zu erheben. Am Donnerstag den 24. Mai 2018 erfolgte die Zustellung der Widerspruchsbescheide bei Reiber, von Freitag dem 25.5.18 datieren die Klagen Valentinos, die dieser eigenhändig ausfertigte, unterschrieb und nach Koblenz brachte: “das wollte ich mir nach all dem was war, nicht nehmen lassen”.

Damit hat Valentino es geschafft seine Klagen in der Hauptsache anhängig zu machen noch bevor seine Eilanträge nach Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) § 80 Abs. 5 beschieden sind. Seit dem 15. Januar 2018 knabbert das Verwaltungsgericht in den Aktenzeichen 2 L 44/18 und 2 L 48/18 an der Frage, ob es die Aussetzung der Vollziehung anordnen muss oder nicht. In Höhe von rund 556 Euro hat dem Gericht der Stadtrechtsausschuss die Arbeit schon abgenommen, weil er die Bescheide von zusammen 1.020 Euro auf 464 Euro mehr als halbierte. “Und für praktisch jeden einzelnen der übrigen Euros habe ich ein sehr gutes Argument”, stellt Valentino fest.